Vaginismus - „Meine Scheide ist verschlossen und versiegelt“.

„Ich bin nicht normal“, höre ich immer wieder von Frauen, die mit diesem Thema in meine Praxis kommen. „Ich kann die einfachste Sache der Welt nicht. Warum ist das bei mir so?“ Viele Frauen sind verzweifelt. Bei manchen geht es darum, die Partnerschaft zu retten, bei anderen darum, überhaupt einen Partner zu finden oder endlich Vereinigung mit ihrem Partner zu genießen.

Mein persönlicher Ansatz als Sexualtherapeutin basiert auf der Verbindung von Coaching und Körperarbeit, von Bewusstwerdung und Übung und hilft, angstbesetzte Vorstellungen durch real erlebte positive Wahrnehmungen zu ersetzen. Zur Veranschaulichung zeige ich ein Fallbeispiel aus meiner Praxis (mehr dazu in meinem Buch: Endlich guter Sex).

Heidi (24) „Mein Körper hat Angst vor allem, was eindringen will“.

Heidi sagt, ihr erstes Ziel sei es gewesen, eine gynäkologische Untersuchung zu ermöglichen. Ihre Gynäkologin habe sie überwiesen und ihr ein Sexualcoaching empfohlen. Heidi hat panische Angst, dass eine gynäkologische Untersuchung wehtun könnte. Sie verkrampfe sofort. Ihre Scheide sei blockiert. Auch Tampons könne sie nicht benutzen. Und „natürlich“ auch keinen Geschlechtsverkehr haben. Sie und ihr langjähriger Freund haben sich vor kurzem getrennt. Im Moment sei sie froh, allein zu sein. Sie möchte erst einmal herausfinden, was mit ihrem Körper los ist. Ihr Ex-Freund sei zwar immer verständnisvoll gewesen, aber mit der Penetration habe es nie geklappt. Sofort verkrampft sich ihr Beckenboden. Ihr Herz rast. Sie hat Panik. Sie spürt Wut. Wut auf sich selbst. Jede Frau kann das! Sie versucht, ihren Finger einzuführen. Es geht nicht. Ja, Erregung ist da. Selbstbefriedigung ist gut. Es ist schön, die Klitoris zu stimulieren. Sie kommt leicht zum Orgasmus. Mit der eigenen Hand, mit der Hand des Ex-Freundes oder mit seinem Mund. Aber die Vagina bleibt zu. Wir beginnen zusammen zu arbeiten…

Wir beleuchten ihre sexuelle Lerngeschichte, sprechen über Zusammenhänge. Wir aktivieren „Kopf und Körper“. Heidi lernt, ihren Körper viel differenzierter wahrzunehmen, sich selbst zu berühren, zu entdecken, Berührungen viel intensiver wahrzunehmen. Wir arbeiten mit Bewegungen, der Beckenschaukel, um die intimen Zonen zu durchbluten und mit erotischer Energie zu fluten. Atemtraining hilft, den Körper immer tiefer zu entspannen. Alle Muskeln lockern sich.

Die Körperarbeit

Heidi liegt mit Sporthose und T-Shirt bekleidet auf der Liege. Ich stehe daneben. Ich sehe, dass Kiefer, Hals, Oberkörper und Bauch angespannt sind. Die Atmung ist flach, Brust und Bauch heben und senken sich kaum. Ich frage, ob ich meine Hände auf den Körper legen darf. Ich darf. Ich lege eine Hand auf den Unterbauch, die andere auf das Brustbein. Ich fühle in den Körper hinein, spüre die Körperspannung unter meinen Händen. Ich frage, was fühlst du? Sie sagt, eine Hand fühle sich schwerer an als die andere und auch wärmer. Die Wärme sei angenehm. Sie fühlt sich völlig entspannt. Ich aber spüre, wie die Muskeln sich zusammenziehen. Ich erkläre ihr, dass die Anspannung für ihren Körper so normal geworden ist, dass sie sich entspannt fühlt, obwohl alle Muskeln anspannen. Meine Aufgabe ist es nun, ihre Wahrnehmung so zu erweitern, dass sie selbst sowohl Anspannung als auch Entspannung spüren kann. Nur wenn sie die Anspannung spürt, kann sie immer wieder ein bisschen loslassen...

Ein paar Monate später. Heide sitzt auf der Liege, ein Ende ist hochgeklappt, damit sie sich entspannt anlehnen kann. Zwischen ihren Beinen befindet sich ein runder Spiegel. In aller Ruhe betrachten wir ihre Vulva. Wir sprechen über das, was wir entdecken. Mit mir zusammen ihr Geschlechtsorgan anzuschauen, ist eine große Herausforderung. Wir freuen uns über ihren Mut. Jetzt kann die Vulva aus ihrer dunklen Ecke ans Tageslicht treten. Wir können sie anschauen, wir können über sie sprechen wie über einen ganz natürlichen Teil des Körpers, der sie ja auch ist. Wo sind die Schamlippen? Die äußeren, die inneren? Die Klitorisperle? ...

Der nächste Termin. Wir wollen ausprobieren, ob ich das Geschlechtsorgan berühren darf. Der Körper sagt „ja“, er bleibt entspannt…

Noch ein paar Monate später. Heidi hat einen Termin bei ihrer Frauenärztin. Sie vermutet, dass die Untersuchung gut verlaufen wird, rechnet aber damit, dass sie Zeit braucht, um sich zu entspannen. Es läuft viel besser als erwartet. Sie sagt, sie sei total überrascht gewesen. Sie hatte überhaupt keine Angst mehr. Die Untersuchung ging ganz einfach. Danach sei sie erst einmal ins Café gegenüber gegangen und habe sich zur Feier des Tages einen großen Eisbecher gegönnt. Während sie ihn genüsslich löffelte, klopfte sie sich innerlich auf die Schulter. Du hast es geschafft! Endlich! Du bist soweit.

Mehr zum Thema "Vaginismus" erfahrt ihr in meinem Buch "Endlich guter Sex"